Wie man zu einer Frau kommt.

Eine heitere Geschichte von Paul Bliß
in: „Berliner Volkszeitung” vom 15.12.1906,
in: „New Orleans Deutsche Zeitung” vom 29.05.1898 (unter dem Pseudonym „Georg Prinz”),
in: „Der sächsische Erzähler” vom 17.12.1916 (hier: Der Anknüpfungspunkt)


Wie man zu einer Frau kommt.

Eine heitere Geschichte von Paul Bliß
in: „Berliner Volkszeitung” vom 15.12.1906

Die Baronin v. Schwingenstein war außer sich — bereits zum dritten Male las sie das Briefchen durch, und noch immer konnte sie sich nicht vertraut machen mit dem, was die Zeilen ihr Neues verkündeten. Endlich aber fand sie sich doch in die Situation, und nun erkannte sie auch die ganze Größe der Gefahr — da mußte sofort energisch eingeschritten werden!

Sie schellte und befahl dem eintretenden Diener mit kurzen, schroffen Worten: „Ich lasse den jungen Herrn bitten.”

Dann ging sie erregt im Zimmer umher und machte sich einen Feldzugsplan zurecht, denn ohne einen harten Kampf würde das jetzt nicht abgehen, das ahnte sie bereits.

Fünf Minuten später trat Baron Botho ein. Er küßte der alten Dame galant die Hand und fragte nach dem Befinden der Frau Mama.

Die Baronin sah ihren Sohn einen Augenblick püfend an, dann lächelte sie und sagte: „Mein lieber Botho, ich habe dir eine erfreuliche Nachricht zu übermitteln, du wirst beim Onkel Johann erwartet. Cousine Laura ist auch da. Pack' nur schnell ein und reise hin.”

Baron Botho schwieg und schien zu erforschen, wo hinaus die Mama wollte, denn daß die Einladung fingiert war, durchschaute er ja nur zu klar. Endlich entgegnete er scherzenden Tones: „Carte blanche, Mamachen! Weshalb willst du mich fortschicken?”

„Damit du keine Dummheiten machst, mein lieber Junge.”

Und noch heiterer rief er: „Gelt, Mammi, du hast doch wieder einmal spioniert!”

„Zu deinem und zum Glück unserer Familie habe ich stets offene Augen. Also kurz heraus: du denkst doch nicht im Ernst daran, diese Person zu heiraten?”

Jetzt wurde der junge Mann ernst. „Wenn du über diese Angelegenheit mit mir sprechen willst, Mama, werden wir beide in der Wahl unsserer Ausdruckweise recht vorsichtig sein müssen,” sagte er mit höflicher, aber fester Stimme.

„Das heißt, Botho, du mißachtest meine besten Wünsche für deine Zukunft.” Die alte Dame rief das mit vor Erregung zitternder Stimme.

Desto ruhiger aber entgegnete der Sohn: „Liebe Mama, ich bin fest überzeugt, daß du nur mein Bestes willst, trotz alledem aber kann ich in einer Herzensangelegenheit nur meinen eigenen Weg gehen.”

„Aber solche Damen vom Theater heiratet ein Baron v. Schwingenstein nicht!”

„Du bist schon zu hart in deinen Worten, Mama, und auch ungerecht, denn du kennst die junge Dame ja gar nicht.”

„Aber ich dulde diese Heirat unter keiner Bedingung!” rief die alte Dame erbittert.

Da machte Baron Botho eine tadellos höfliche Verbeugung, sagte: „Wir sprechen wohl besser ein andermal darüber,” und empfahl sich.

Nun fühlte sich die Baronin natürlich nur noch mehr beunruhigt.

Eine halbe Stunde später war sie bei ihrem Anwalt, dem sie den Fall vortrug. Mit erregten Worten schloß sie ihre Auseinandersetzungen: „Es darf nicht geschehen, Herr Doktor! Sie müssen mir beistehen, daß wir die Geschichte hintertreiben. Fahren Sie zu dieser Gauklerin und sehen Sie zu, daß wir sie mit Geld abfinden können.”

Doktor Lewald zuckte verlegen die Schultern und sagte ausweichend: „Ich fürchte nur, Frau Baronin, daß ich nicht die geeignete Persönlichkeit bin, hier eine erfolgreiche Rolle zu spielen.”

Aber sein Sträuben half ihm nicht, die Baronin bat und flehte solange, bis er endlich zusagte, den Versuch machen zu wollen.

*           *           *

„Das gnädige Fräulein läßt den Herrn Doktor bitten, hier ein wenig zu warten,” sagte die Zofe und ließ den Advokaten in einen geräumigen Salon eintreten.

Doktor Lewald sah sich prüfend um. Er war einigermaßen enttäuscht, er hatte geglaubt, ein kokettes Künstlerhehm ju finden, einen Raum, der mit üjertriebener Eleganz flott und bunt ausgestattet sei. würle, so ain wildes Durcheinander$Aller möglichen und unmöglichen Gegenstä:ndg, w)e0eine0bizarre Laune rie zusammentrug — denn so (atte er aus Erzählungen unf(Romanen deravté'e Räumlichkeiten im Gedäch4nis — nun ajer fand er(hidr ein b¦uuml;rgeRlich gut einggriãhtetes0Zimmer, das gediegen }nd mit Gesc`mack arrangiept wav. Er sah in dem hkien Spiegel seine Gestalt, und unwilok&uull;rl)ch hielt er noch eine letzte M5sterung seiner Toimette. Es war das erste Mal in!seinem Lebån, daß %r einer berühmte^ Diva gegenüberstehen sollte. Er gestand sich, da&szlk'; seine Mission mehr als schwherig war, und sobald ersic` die kapriziöwe kldi.e Kuuml;nstlerin vorstellte, bekaM er Herzklopfen und Bekldmmungen, trotzdem er bereits eén Mann von 35 Ja`ren war. Und nun, ganz plötzli#h, als e2 all' das &}u-l;berdac`te, fiel ihi ein, da&rzlig; er noch$Eigeftlich &tuml;berhaupt keiner Dame näher gestanden hatte, ganz einfach darum nicht, weil er immer ganz davon in Anspruch genommen war, sich eine feste Position zu erringen. Und die natürliche Gedankenfolge war, daß er jetzt sein ödes Junggesellenheim mit diesem traulichen Raum verglich, und daß ihn ein heimliches Grausen vor seiner Einsamkeit überfiel.

„Herr Doktor Lewald,” sagte Fräulein Clarisse Warburg, die durch eine Tapetentür geräuschlos eingetreten war, — „was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?”

Der Advokat verneigte sich. Er sah das schöne Mädchen einen Augenblick wortlos an, denn er hatte sich diese berühmte Künstlerin anders vorgestellt, — da war auch rein gar nichts zu finden von alledem, was man den Theaterdamen nachredete! — ein schönes, jugendfrisches Mädchen, einfach und schlicht, — und weil er so angenehm enttäuscht war, darum schwand sofort seine Verlegenheit, und deshalb fand er auch sogleich die rechten Worte.

„Mein gnädiges Fräulein, ich komme im Auftrage der Frau Baronin von Schwingenstein,” begann er.

Das Fräulein lächelte nur.

Und er sprach weiter: „Sie werden ohne Zweifel ahnen, gnädiges Fräulein, was ich Ihnen sagen will.”

„Nein, Herr Doktor, ich wüßte nicht, was die Frau Baronin mir zu sagen hätte.” Sie lächelte noch immer.

Nun wurde Doktor Lewald wieder verlegen. Aber er nahm sich zusammen. Mit leiser, bebender Stimme sprach er: „Mein gnädiges Fräulein, ich muß Ihnen leider die Botschaft überbringen, daß die Baronin niemals ihre Einwilligung zu der Heirat geben wird.”

„Ich verstehe Sie noch nicht ganz, Herr Doktor, — zu welcher Heirat?”

„Zu Ihrer Verbindung mit Baron Botho.”

„Der Baron will mich heiraten?” rief sie erstaunt.

„Er hat es seiner Frau Mama allen Ernstes erklärt.”

Nun lachte sie laut auf. Aber als sie das verblüffte Gesicht des Advokaten sah, zügelte sie ihre Ausgelassenheit und erwiderte ruhig: „Dann können Sie also der Frau Baronin sagen, daß sie sich dieserhalb keine schlaflosen Nächte zu machen braucht. Der Baron hat mir zwar den Hof gemacht, und ich habe mir seine Aufmerksamkeiten gefallen lassen, weil seine Galanterien diejenigen eines Kavaliers waren, nun ich aber sehe, welches Ziel er dabei vor Augen hat, werde ich seine Besuche nicht mehr dulden, darauf können Sie sich verlassen.”

Doktor Lewald atmete wie befreit auf. Er schwieg und verbeugte sich nur.

„Und wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen, heute nachmittag eine Tasse Kaffee bei mir zu trinken, dann können wir darüber weiter plaudern, zudem möchte ich auch Ihren Rat in Anspruch nehmen, denn ich wünsche meinen Kontrakt mit der Direktion zu lösen; — für jetzt aber entschuldigen Sie mich wohl, denn ich muß zur Probe.” Sie nickte ihm lächelnd zu, und als er ging, sagte sie: „Also um fünf Uhr, nicht wahr?”

„Ganz zu Ihrer Verfügung, meine Gnädigste!” entgegnete er mit glückstrahlendem Gesicht und empfahl sich.

Als zwei Stunden später Baron Botho kam, händigte ihm das Dienstmädchen ein kleines Briefchen ein. Anfangs lächelte der junge Herr; als er aber den Inhalt las, wurde er bitter ernst und ging fort mit einem kurzen Gruß; — er hatte einen Abschied bekommen, es waren nur wenige Worte, aber es war eine so bestimmte und unzweideutige Erklärung, daß der junge Mann nur zu deutlich daraus las, was für ihn zu hoffen war.

„Und ich kann mich also wirklich ganz fest darauf verlassen, daß die Geschichte zu Ende ist?” fragte die Baronin.

Doktor Lewald nickte und antwortete lächelnd: „Mit meinem Worte bürge ich dafür, Frau Baronin.”

„Das werde ich Ihnen nie vergessen, lieber Doktor!” rief die alte Dame freudevoll und schüttelte des Advokaten Hand. „Ich hätte übrigens nicht geglaubt, daß diese Dame so leicht abzuschütteln wäre.”

„Sie irren sich sich ein wenig, Frau Baronin,” sagte er mit leiser Ironie, „wenn Sie alle Damen vom Theater mit demselben Maß messen, es gibt Gottlob wirkliche Damen bei der Bühne, die der sogenannten guten Gesellschaft ebenbürtig sind.”

Erstaunt sah ihn die Baronin an. „Ich zweifle auch nicht daran, Herr Doktor, wenn Sie es so bestimmt aussprechen,” sagte sie mit überlegenem Lächeln.

Der Advokat fühlte, wie ihm das Blut in die Stirn stieg und empfahl sich in einiger Verlegenheit.

*           *           *

Um fünf Uhr erschien Doktor Lewald zum zweiten Mal bei der jungen Künstlerin. Jetzt kamen ihm die Räume bereits bekannt vor, und er fühlte sich bald heimisch. Man plauderte von allen möglichen Dingen, von der Kunst im algemeinen und von der Schauspielkunst im besonderen.

Dann wurde das Geschäftliche erledigt, und dann setzten sie sich zum Kaffee nieder.

Als der Doktor eine Stunde später Abschied nahm, schied er wie ein alter Bekannter, und als er daheim in seinem stillen Juggesellenquartier über das alles noch einmal nachdachte, da fand er mit einem Male, daß diese Oede des Alleinseins auf die Dauer nicht mehr zu ertragen war.

Er empfand es als ein großes Glück, daß er in den nächsten acht Tagen fast täglich mit der Künstlerin zu konferieren hatte, und daß sie es ruhig geschehen ließ, wenn er seine Besuche ganz über Gebühr ausdehnte. Ja, sie wußte ihm sogar durch irgendeine Gesprächswendung ein längeres Verweilen zu ermöglichen, wenn er endlich Anstalten zum Aufbruch machte. Ein stilles Sichergründen und Sichverstehen sproßte wie eine süßduftende Blume zwischen ihnen auf. Und als vier Wochen ins Land gegangen waren, bedurften sie kaum noch der gesprochenen Worte, um über diese oder jene Frage zur Verständigung zu kommen. Da wußten sie plötzlich, daß die Liebe solche Wunder an ihnen offenbarte.

*           *           *

Als vier Wochen später die Zeitungen der Residenz die Kunde brachten von der Verlobung des Fräulein Waldburg mit Doktor Lewald, da zerknüllte Baron Botho wütend das Blatt, in dem er die Anzeige las . . . .

Wie man zu einer Frau kommt.

Novellette von Georg Prinz.
in: „New Orleans Deutsche Zeitung” vom 29.05.1898,
in: „Der sächsische Erzähler” vom 17.12.1916 (hier: Der Anknüpfungspunkt)
(Vgl. : An die falsche Adresse)

Herr Fritz Krüger war Junggeselle, aber er war bereits dreißig Jahre, und somit hatte er alle Freuden und Leiden eines ledigen Mannes durchgekostet.

Eines Tages entdeckte er, daß das Essen in den Kneipen nicht mehr zu genießen war, er fand ferner, daß die endlosen Sumpfereien mit seinen Zechgenossen nicht mehr reizten. Das Re4sultat des Denkens war: Heirathen!

Ja, du lieber Gott, wenn sich die Wünsche so leicht verwirklichten! Der Wille zur Heirath war da, wie aber nun die rechte Frau finden, von der man sagen konnte, daß sie die rechte war.

Nun, Herr Fritz Krüger suchte. Er hatte ja Zeit, — wenn er so lange gewartet, konnte er auch länger warten.

Eines Tages sah er eine junge Dame, die ihn fesselte. Er sah sie im Gedränge der Straße. Sie hatte Einkäufe besorgt, einige Packetchen am Arm hängen, und trat dann an ein Schaufesnter, um die ausgelegten Waaren zu beschauen, aber schließlich trat sie in den Laden.

Fritz war wie elektrisirt. Diese oder keine, versicherte er sich. Geduldig wartete er und machte allerlei Pläne, wie er der Holden näher treten könne. Schon nach wenigen Minuten kam sie wieder heraus mit noch einem neuen Packet beschwert. Da entfiel ihr eines der kleinen Päckchen, und schnell, ehe sie sich noch bücken konnte, war schon Fritz der Kavalier und überreichte ihr grüßend dasselbe, wofür er mit einem dankbaren Blick und einem sehr huldvollen Lächeln belohnt wurde.

Fritz war überglücklich. Doch im nächsten Augenblick saß seine Angebetete in einer Droschke, die schnell davon fuhr.

Oho, dachte er, so entkommst Du mir nicht. Sofort stieg auch er in eine Droschke. Und nun noch, immer im schnellsten Tempo, bis er sie eingeholt hatte. Natürlich hielt er sich in angemessener Entfernung, um ohne aufzufallen genau beobachten zu können.

Endlich hielt der erste Wagen. Die Dame zahlte und ging dann schnell ins Haus.

In einiger Entfernung hielt auch der zweite Wagen. Fritz stieg aus und besah nun das Haus, in dem seine Holde verschwunden war. O, es war sehr elegant, hochherrschaftlich. Im Souterrain war ein Frisiersalon, dort hinein ging Fritz. Er ließ sich rasiren und knüpfte dabei mit dem Ladeninhaber, einem sehr redseligen Herrn, ein Gespräch an, um endlich, so ganz beiläufig, die Frage zu thun, wer denn eigentlich die junge Dame gewesen sei, die eben in der Droschke vorgefahren war.

Und der gutmüthige Friseur, der seinen Kunden stets gefällig war, erzählte auch gleich die ganze Geschichte der Familie, — das Fräulein sei die einzige Tochter der Wittwe Lessing, die in der ersten Etage wohnte, außerdem sei nur noch ein Bruder da, der sei Kaufmann, die Leute seien sehr reich, drei Rittergüter in der Nähe gehörten ihnen.

Fritz wußte genug. Als er ging, überlegte er den Plan,wie er nun am besten vorgehen konnte.

Zuerst zog er ganz im Geheimen Erkundigungen ein. Diese fielen sehr gut aus. Der Friseur hatte nicht übertrieben. Die Familie war sehr reich. — Das war der erste Schritt.

Dann suchte er die junge Dame wiederzusehen, um zu einer Anknüpfung Gelegenheit zu finden. Tagelang hielt er sich in der Gegend auf, saß dort in Restaurationen oder in der nahegelegenen Conditorei, oder er promenirte langsam umher; aber Alles war umsonst, er sah seine Dame nicht wieder.

Nach acht Tagen vergeblichen Suchens wurde er nervös. Jetzt wurde er sich klar darüber, daß seine Neigung zu der Unbekannten keine oberflächliche war; er dachte stets an sie, immer sah er ihr Bild vor sich: die lustigen klugen braunen Augen und der schelmische Mund, immer hörte er ihre Stimme, die so weich und milde klang, und so viel er sich auch zwang, den Gedanken an sie los zu werden, es gelang ihm nicht mehr, er war wie gebannt an sie.

So konnte es also nicht fortgehen. Da mußte Rath geschafft werden. Er grübelte und sann, aber alles, was ihm einfiel, brachte ihn nicht seinem ersehnten Ziele näher, er fand weder Zutritt zu der Familie, noch konnte er seine Holde sehen.

Da eines Tages kam es über ihn. Jubelnd fuhr er auf. Er hatte einen Anknüpfungspunkt gefunden.

Er ging geradewegs zur Mama Lessing. Er stellte sich vor, er wolle eins ihrer Rittergüter kaufen..

Natürlich war das nur eine Ausrede, denn er war, wenn auch nicht arm, lange nicht reich genug, um das werthvolle Gut bezahlen zu können. Er wagte es eben, weil er um jeden Preis ans Ziel gelangen wollte.

Frau Lessing, eine einfach würdevolle Dame, empfing ihn sehr höflich, sie war nämlich nicht abgeneigt, das Gut zu verkaufen, wenn die Bedingungen ihr konvenirten. Und während sie noch von den rein geschäftlichen Angelegenheiten sprachen, trat die Tochter ein.

Fritz hätte aufjubeln können. Sofort erkannte sie ihn. Und als die Mama sie vorstellte, lächelte sie: „O, wir kennen uns ja schon.” Und dann erzählte sie heiter das erste Zusammentreffen. So plauderten sie noch länger zusammen, und als er ging, hatte man die Abmachung getroffen, daß man am nächsten Tage die Güter besuchen wolle.

Glückstrahlend ging Fritz nach Hause. Jetzt war er wie umgewandelt. Die Nervosität, die Mißstimmung, alles Uebel war wie weggeweht und vor ihm lachte die Zukunft in strahlender Helle.

Am nächsten Tage kam er mit einem Wagen, die Familie abzuholen. Jetzt lernte er auch den Sohn kennen. Er war ein flotter lustiger Mensch von vierundzwanzig Jahren, heiter und offen, ganz wie die Schwester. Sie wurden bald bekannt. Es gab eine köstliche Fahrt. Die Damen im Fond, die Herren ihnen gegenüber. Die Unterhaltung war rege und wurde immer lebhafter, je länger man zusammen war. Als sie am Ziel waren, kam es ihnen vor, als seien sie alte Bekannte.

Dann kam die Besichtigung der Güter, und nun erst sah Fritz, saß er sich sehr zusammen nehmen mußte. Der Verwalter führte sie herum und gab den Erklärer. Aber Fritz spielte seine Rolle ausgezeichnet. Er war auf dem Lande geboren, wußte auch mit der Landwirthschaft Bescheid und konnte also vollständig als Sachverständiger sprechen. Nach der Besichtigung nahm man bei dem Verwalter ein Abendessen und erst bei Beginn der Dunkelheit fuhr man zurück nach der Stadt.

Auch die Rückfahrt war herrlich. Fritz war entzückt über die Lage der Güter, er sprach sehr eingehend über die Bodenverhältnisse und schließlich deutete er an, daß er ernsthaft darüber nachdenken wolle. Damit war die Kaufangelegenheit erledigt. Nun wurde man heiter, Scherze und Anekdoten wurden erzählt. Die milde Nachtluft umfächelte sie wohlthuend. Das gute Mahl und der Wein, den man genossen hatte, schafften eine gemüthliche zufriedene Stimmung. Und Fritz plauderte fast ausgelassen lustig mit seiner Dame. Als er sich später dann von den Damen verabschiedete, lud ihn die Mama ein, bald von sich hören zu lassen.

Dann ging er mit dem Sohn noch in ein Wirthshaus, ein wenig zu plaudern. Den Sohn wollte er zuerst gewinnen. Und das war auch nicht schwer. Der junge Mann trank gern einen guten Schoppen und wurde dann sehr redelustig; und als sie sich trennten, wußte Fritz, daß die Familie in einigen Tagen den Juristenball mitmachte, und daß sie morgen in die Oper gehen würden.

Natürlich war er am nächsten Tage in der Oper und ebenso natürlich, daß er seine Dame und deren Angehörige begrüßte und lange mit ihnen plauderte.

Und drei Tage später ging er auf den Juristenball.

Mama Lessing machte zwar ein etwas erstauntes Gesicht, als sie ihn „zufällig” schon wieder trafen, da aber Tochter und Sohn sich freuten, ihn zu sehen, freute sie sich auch, denn sie war ihren Kindern eine gute Mutter.

Jetzt war Fritz zum ersten Male längere Zeit allein mit seiner Angebeteten zusammen. Sie plauderten und scherzten.

Am nächsten Tage machte er natürlich seinen Besuch, um sich zu erkundigen, wie es den Damen bekommen war. Von dem Gutsverkauf sprach er vorerst noch nicht, da er erst den Bescheid seiner Angehörigen abwarten wolle.

Von nun an traf er seine Dame jeden Tag. Entweder promenirten sie, oder sie gingen auf's Eis, oder sie trafen sich in einer Konditorei. Davon aber wußte die Mama niemals etwas, nur der Bruder kam manchmal mit.

So kam denn ganz allmählich, was nicht ausbleiben konnte. Die jungen Leute merkten gar bald, daß sie Interesse für einander hatten; sie lernten sich mit jedem Tage näher kennen, und eines schönen Tages sagte er seinem geliebten Mädchenvoll strahlender Glückseligkeit, daß sie sein Weib werden müsse.

Dann erst, als sie sich verlobt hatten, traten sie hin zur Mama und erbaten deren Segen, der ihnen dann auch zu Theil wurde.

Von dem Gutskauf sprach Keiner mehr.

Erst nach einem Jahre, nachdem das junge Paar von der Hochzeitsreise zurückgekommen war, da erst erzählte Fritz, wie er es angefangen, um zu seiner Frau zu kommen.

Aber Mama lächelte überlegen: „Und Ihr glaubt wirklich, ich hätte nie etwas davon gemerkt? O, wie schlecht kennt Ihr ein Mutterherz! Alles habe ich durchschaut, von Anfang an; weil ich aber sah, daß ich daran doch nichts ändern konnte, darum schwieg ich und trachtete heimlich, Alles zum guten Ende zu bringen.”

Fritz sah sein Frauchen an. Diese nickte nur, dann sank sie glückselig ihrem Mann in die Arme.

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